SaaS BWA in DATEV?
„Wie hoch ist euer Monthly Recurring Revenue (MRR)? Wie hoch ist euer Annual Recurring Revenue (ARR)?“ Diese Frage stellt die Community häufig nach der Veröffentlichung eines Minimum Viable Products (MVP) eines Softwareprodukts. Über die Jahre hinweg sind mir diverse Antworten begegnet: Einige Gründerinnen und Gründer berufen sich auf die Zahlen, die sie in ihren Stripe- oder Chargebee-Dashboards sehen, während andere die Umsatzerlöse aus der Betriebswirtschaftlichen Auswertung (BWA) heranziehen. Wieder andere setzen auf eine Kennzahl aus ihrem internen Reporting.
Um Licht ins Dunkel der finanziellen Bewertung für SaaS-Unternehmen zu bringen, habe ich mich mit Dennis unterhalten. Als Wirtschaftsprüfer und Gründer von Taavas, berät er skalierende Softwarefirmen, darunter auch das Softwaretool, Sevdesk. Er bringt jahrelange Erfahrung mit und teilt mit uns wertvolle Einblicke in die Bedeutung und Nutzung der BWA für SaaS-Firmen.
Dennis, in unseren Erstgesprächen berichten viele SaaS-Gründer:innen, dass sie mit den BWA, die sie erhalten, wenig anfangen können. Was sind die Gründe dafür?
Dennis: Das Problem mit den Standard-BWAs, wie sie etwa von DATEV angeboten werden, ist, dass sie schon einige Jahre auf dem Buckel haben und primär auf die Bedürfnisse von Handels- und Produktionsbetrieben zugeschnitten sind. Die spezifischen Anforderungen von Softwareunternehmen finden dabei kaum Berücksichtigung.
Ein typisches Beispiel ist, dass es neben den Umsatzerlösen den Posten „Material- und Wareneinkauf“ gibt – eine Position, die im SaaS-Geschäft nicht vorhanden ist. Stattdessen sind für uns die Kosten für bezogene Leistungen wie Server und Lizenzen relevant, die dann unter „sonstige Kosten“ subsumiert werden, zusammen mit vielen anderen Posten.
Ein weiteres Beispiel ist, dass die DATEV-Standard-BWA Werbe- und Reisekosten zusammenfasst. Für ein Unternehmen, das sowohl auf Vertriebsteams als auch auf Online-Werbung setzt, ist eine solche Zusammenfassung unpraktisch. Wir benötigen eine getrennte Darstellung dieser Kosten, um einen klaren Überblick über unsere Customer Acquisition Costs (CAC) zu erhalten.
Außerdem fehlen in den meisten Standard-BWAs wichtige Kennzahlen wie EBIT und EBITDA, die für eine umfassende finanzielle Analyse und Steuerung unerlässlich sind.
Dennis, gibt es Besonderheiten, die beim Thema Umsatzerlöse im SaaS-Bereich besonders zu beachten sind?
Dennis: Der zentrale Aspekt bei den Umsatzerlösen in der SaaS-Branche ist die korrekte Periodenabgrenzung der Umsätze. Nehmen wir an, du schließt im Dezember 2023 ein Jahresabo ab, das 1200 Euro kostet. Für das Jahr 2023 darfst du lediglich 100 Euro als Umsatz verbuchen, während die restlichen 1100 Euro dem Geschäftsjahr 2024 zuzuordnen sind.
Diese Abgrenzung ist nicht nur für die korrekte Buchhaltung entscheidend, sondern auch für die Berechnung des Monthly Recurring Revenue (MRR) oder zumindest für die Plausibilitätsprüfung des Umsatzes laut BWA. Zudem ist es wichtig, einmalige Einnahmen, wie beispielsweise Projektumsätze, in der BWA in einem separaten Umsatzposten auszuweisen.
Besonders bei Kapitalrunden spielt die Abstimmbarkeit von MRR und ARR eine wichtige Rolle. MRR und ARR sind für Investoren wichtige Kennzahlen zur Bewertung eines Unternehmens. Die BWA, die im Datenraum zur Verfügung gestellt wird, sollte daher eine klare Überleitung zwischen diesen Kennzahlen ermöglichen.
Gehen wir nach den Umsatzerlösen weiter, was sollte in der BWA folgen?
Dennis: Nach den Umsatzerlösen ist es entscheidend, die notwendigen Kosten zur Erzielung der Umsatzerlöse, also die Cost of Goods Sold (COGS), anzuführen. Im SaaS-Bereich zählen hierzu insbesondere die bereits erwähnten Kosten für bezogene Leistungen, wie Serverkosten oder Lizenzen, Personalkosten für die Wartung durch Entwickler:innen und Abschreibungen auf aktivierte immaterielle Vermögenswerte.
Viele Startups, Scaleups und Berater:innen zögern allerdings, eine BWA nach dem Umsatzkostenverfahren zu nutzen, da dies zunächst den Aufbau einer Kostenstellenrechnung erfordert, die in die Bereiche COGS, Sales und Admin unterteilt ist. Trotzdem ist es möglich, auch mit einer BWA nach dem gängigen Gesamtkostenverfahren und der Ergänzung um zusätzliche Posten, kosteneffiziente Einblicke in den erzielten Deckungsbeitrag zu gewinnen.
Dennis, wie werden in der BWA die Vertriebskosten zusammengefasst?
Dennis: In der Standard-BWA werden die Kosten für Vertriebsmitarbeiter:innen oft unter den allgemeinen Personalkosten zusammengefasst. Dort verschwinden sie neben den Gehältern des Vertriebsteams und den Administrationspersonalkosten, wie zum Beispiel den Gehältern der Geschäftsführung. Auch die Kosten für Online-Werbung werden häufig zusammen mit Reisekosten ausgewiesen.
Um hier eine detaillierte Aufschlüsselung zu ermöglichen, ist es notwendig, in der Buchhaltung separate Konten für jeden Marketingkanal einzurichten. Dadurch lässt sich eine monatliche Aufteilung der Kosten erreichen. Die Aufteilung der Personalkosten auf die Bereiche Entwicklung, Sales und Admin kann in den Lohnprogrammen von Datev vorgenommen werden.
Für die Berechnung der Customer Acquisition Costs (CAC) pro Produkt wird jedoch meist auf Excel zurückgegriffen. Hier zeigt sich, dass selbst eine gut strukturierte Datev-BWA ihre Grenzen hat. Trotzdem ist es wichtig, dass die BWA die notwendigen Grundlagen für solche Analysen bereitstellt, was mit einer entsprechend angepassten BWA gut möglich ist.
Zusammenfassend lässt sich also sagen:
Die DATEV-BWA ist für SaaS-Unternehmen gleichermaßen eine Herausforderung und eine Chance. Die Standardausführung, konzipiert für Handels- und Produktionsbetriebe, stößt bei der Erfüllung spezifischer Anforderungen der SaaS-Branche an ihre Grenzen. Wichtig sind die präzise Periodenabgrenzung der Umsätze, die genaue Zuordnung der COGS sowie die differenzierte Betrachtung der Personal-, Vertriebs- und Marketingkosten.
Dennis hebt hervor, dass für eine effektive finanzielle Steuerung und Bewertung von SaaS-Firmen Anpassungen der BWA nötig sind. Diese umfassen die Einrichtung spezifischer Konten für jeden Marketingkanal, eine genaue Aufteilung der Personalkosten und die Ergänzung um wichtige Kennzahlen wie MRR und ARR.
Die Anpassung der BWA bietet somit die Möglichkeit, tiefere Einblicke in die finanzielle Performance zu gewinnen und eine fundierte Basis für kritische Analysen zu schaffen. Für SaaS-Unternehmen bedeutet dies, die BWA als dynamisches Instrument zu nutzen, das sich mit dem Unternehmen entwickelt. Die Expertise von Spezialisten wie Dennis ist dabei entscheidend, um die BWA effektiv an die Bedürfnisse im SaaS-Sektor anzupassen.
Im nächsten Blogartikel “Die SaaS-BWA” erfahrt ihr von Dennis, wie die perfekte SaaS-BWA aussieht.